Papier ist das neue Vinyl – Die Rückkehr des Analogen

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Aktuelle Zahlen zeigen: Geld wird lieber für analoge Ton- und Schriftträger als für digitales Musikstreaming oder E-Books ausgegeben.

Endlich offline ov zeit april17

Illustration: Joni Majer/wildfoxrunning für DIE ZEIT (12. April 2017, N°16)

Sie lieben das Gefühl, eine Schallplatte vorsichtig aus dem Karton zu ziehen und die Nadel zu beobachten, wie sie sanft aufsetzt und das charakteristische Knistern vernehmen lässt? Dann ist die Chance ziemlich hoch, dass sie auch gerne langsam mit dem Finger über die Oberfläche von Papier streichen, dem Rascheln der Seite beim Umblättern lauschen und genussvoll den Geruch des Materials einatmen.

Schallplattensammler und Buchenthusiasten sind auf gewisse Weise verwandt.

Beide hegen eine ungebrochene  Liebe zum Haptischen, zum Analogen – und liegen dabei voll im Trend. Die Umsatzzahlen von Vinyl steigen stark an, genauso wie die Begeisterung für hochwertige Papierprodukte: Um ganze 80 Prozent hat sich der Absatz von Schreib- und Zeichenbedarf 2016 im Vergleich zum Vorjahr erhöht.

Dass sich immer mehr Menschen für die analogen Varianten entscheiden, geschieht heute allerdings nicht aus Alternativlosigkeit.

Längst lassen sich Bücher digital lesen, Texte am Laptop schreiben und Kalendereinträge im Smartphone festhalten. Ein Notizbuch zu nutzen oder Schallplattensammler zu sein, ist vielmehr eine bewusste Entscheidung, ein identitätsstiftendes Statement oder besser – ein Plädoyer: für die besondere Qualität der analogen Dinge. Denn diese verfügen über die Fähigkeit, die Erfahrung der eigenen Existenz, ja die „Selbstwirksamkeit”, wie es Ulrich Stock jüngst ausdrückte („Endlich Offline”, Die Zeit N° 16), in besonderem Maße zu ermöglichen. Schließlich spiegelt sich doch das eigene Tun in der persönliche Handschrift oder die individuellen Erinnerungen in den Alterspuren einer heißgeliebten Platte weitaus eindringlicher, als im beiläufigen „Swipen” auf makellos glatten Bildschirmen.

Und überhaupt: eine Wohnung ohne Bücher und Platten?! Dazu fühlen sich Vinyl und Papier einfach zu gut an!

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